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Der Gutschein

– Das besondere Geschenk für einen Motorradfahrer –

Unser Hochzeitstag kam näher. Als Frau macht man sich schon wochenlang vorher Gedanken, mit was man den Liebsten am besten überraschen könnte. (Mann löst dieses „Problem“ eher spontan.) Nun, heiße Dessous, ein romantisches Abendessen mit Lustfaktor, entsprechendes Equipment … hatten wir früher schon. Also etwas Neues musste her! Irgendwas mit action! So wie Events von Jochen Schweizer oder mydays wäre nett, aber eben individueller. Grübeln war angesagt.

Parallel zu diesen Gedanken stöberte ich regelmäßig bei Facebook auf den Motorradseiten und siehe da: Mir kam eine Idee. Schon seit einiger Zeit bewunderte ich die Motorradbilder von „ moppetfoto.de “. Die hatten das gewisse Etwas! So in Szene gesetzt wäre mein Ehemann, der ja schon ohne Profifotograf ganz fotogen ist, sicher noch attraktiver und ansehnlicher! Ein Fotoshooting, in Deutsch ein Fototermin, bei Lichtmaler Uli Biggemann, ja das hätte was!

Der Profi in Aktion (Bildverfeinerung durch Uli)

Also nahm ich frühzeitig zu Künstler Uli Kontakt auf und holte Informationen ein. Ich ertappte mich dabei, wie ich die Vorzeichen des Shootings etwas umkehrte. Schwerpunkt war auf einmal gar nicht mehr mein Holder sondern meine Wenigkeit, da ich selber von Uli lernen wollte. Eine Ausrede zu dieser Motivation war schnell gefunden: Wenn meine Fotos besser würden, hätte ja mein Mann Thomas langfristig auch etwas davon. Und schließlich waren wir in dem Alter, in dem ein Geschenk wie ein Theaterbesuch oder ein Wellnesswochenende zu Zweit beiden zugute kommt. Der Gutschein, attraktiv verpackt in einem roten Umschlag, kam gut an, glaube ich. Thomas machte immer gute Miene zum Spiel, so wie damals, als er den zehnstündigen Tango-Tanzkurs bekam, weil ich gerne mit ihm das qualifizierte Tanzbein schwingen wollte.

In diesem Sinne wurde der Künstler informiert und war nicht abgeneigt. Nun muss man noch erwähnen, dass ich etwa seit meinem zehnten Lebensjahr eine Leidenschaft fürs Fotografieren verspürte, damals halt mit der entsprechenden Technik wie Zelluloidfilmen in Kameras, bei denen man den Film manuell erst mittels Rädchen, dann Hebel weiterdrehen musste, später mit mehr Komfort allerdings ohne Automatic, anschließend mit einer Spiegelreflexkamera und schließlich mit den digitalen Apparaten wie einigen Canon Powershots und der kleinen Canon Ixus. Wegen des Platzmangels bei Reisen mit dem Motorrad löste schließlich ein gutes Handy die Fotokamera ab. Mit den Resultaten der handlichen, in den Bauchbeutel passenden Alleskönner war ich lange Zeit zufrieden. – Bis ich die Bilder von Uli sah! „Das möchte ich auch können“, waren meine spontanen Gedanken, wohl wissend, dass man als Laie natürlich nicht die Qualität eines Profis erreichen kann. Aber ein paar Tipps vom Künstler wären ja schon mal nicht schlecht, sagte ich mir.

Also fassten Uli und ich das Frühjahr ins Auge für unser Projekt – und dann kam Corona. Wartezeit. Was aber in diesem Fall nicht ganz ungünstig war, konnte ich mich doch an meine neue (natürlich wieder eine) Canon-Kamera, eine EOS M50 mit einem Objektiv von 18 bis 150mm, gewöhnen und das dazu erworbene 300 Seiten umfassende Handbuch studieren. Dabei verließ mich bisweilen der Mut, bis ich dahinter kam, dass man nicht alle speziellen Einstellungen auf einmal nachvollziehen kann. Also beschränkte ich mich zunächst auf die automatischen und halbautomatischen Einstellungen, die schon passable Ergebnisse lieferten. Das Verhältnis von Zeit, Blende und ISO ließ ich außen vor. Früher in grauer Vorzeit war es gang und gäbe, mit dieser Kenntnis zu fotografieren, aber man wurde mit neuer Technik geistig viel bequemer, beziehungsweise setzte man andere Schwerpunkte.

Vorbereitung ist wichtig

Schließlich wurde ein Termin für Anfang Juni ausgemacht. Eine Woche vorher versprach die Wetterapp gute Aussichten und ich sandte Uli eine Liste mit Fragen, die für mich von Interesse waren. Diese bezogen sich in erster Linie auf die Schärfeeinstellung bei Fahrbildern, die Position und das Motiv, die Lichtverhältnisse und das Handling der Kamera. Parallel dazu trafen wir unsere Vorbereitungen: Motorrad waschen, Kleidung festlegen (welcher Motoradanzug, welches T-Shirt, welches Halstuch), ich packte ein Schminktäschchen ein mit Lippenstift, Spiegel und Haarspray (typisch Mädchen eben) und wir checkten noch, ob wir kurzfristig eine Pension im näheren Shooting-Gebiet bekommen könnten, wenn man anschließend nicht mehr nach Hause fahren wollte oder konnte aufgrund von mentaler Erschöpfung. Weder Schminktäschchen noch Pension brauchten wir. Die Wahl der Kleidung hingegen hatte sich bewährt. Der Termin war geplant bis 21 Uhr, die Heimfahrt würde danach zirka zwei Stunden betragen.

Einen Tag vor dem Shooting dann die Katastrophe: Thomas wachte mit einer dicken Backe auf. Eine Zahnwurzel meinte, sich äußern zu müssen. Neeeiiiiin! Wie sah mein männliches Model denn nun aus? Termin verschieben? Ein Problem, weil ab dem übernächsten Tag das Wetter umschlagen sollte und danach Terminenge herrschte. Zahnarzt und Kühlpack sollten Abhilfe schaffen und die Überlegung, dass unter dem Helm die Backe nicht sichtbar war und die Szenen ohne Helm eben von der Schokoladenseite zu fotografieren waren. Das haute dann noch so gerade hin, einen Tag später hätten wir Werbeaufnahmen zu einem neuen Quasimodo-Film machen können.

Ein Künstlertank

Mit reichlich Zeitreserven und Picknick anbei ging es über das Bergische Land ins südliche Sauerland zum Biggetreff an gleichnamiger Talsperre, unserem Treffpunkt. Kurz nach unserem Eintreffen schwebte der Künstler auf seiner KTM mit grandios Bilder-foliertem Tank heran und sofort stellten wir fest: Die Wellenlänge stimmte. Uli ist ein Mann ohne Alter, ein Fotograf mit individueller, Einstein konträrer Haartracht, ein Künstler ohne Allüren! Und, das merkte ich kurz darauf, ein geduldiger Pädagoge und (Uli verzeih mir, falls es Dein Ego verletzt!) ein Frauenversteher! Er konnte sich ohne Mühe in meine fotografischen Probleme hineinversetzen. Und die hatte ich, als ich mal wieder mit der Materie von Blende, Zeit und ISO konfrontiert wurde.

Besprechung hinter Gittern

Zunächst besprachen wir am Treffpunkt den Bildaufbau. Dazu meinte er: „Ulla, du musst jetzt erst mal hinter Gitter!“ „?“ Aber bald war mir klar, durch die zugeschaltete Gitteransicht im Sucher ist eine harmonische Bildgestaltung viel leichter. Stichwort „Goldener Schnitt“.

Anschließend ging es auf die Straße bis zu einem kleineren Seitenweg mit schöner Kurvenlinie. Hier – im abgeschiedenen Hinterland –  sollte ruhiges Arbeiten möglich sein. Dachten wir. Ausgerechnet heute kamen außer den normalen Straßennutzern noch zahlreiche Friedhofsbesucher dazu – wir standen an einer Friedhofseinfahrt -und ein Holztransporter, dem wir natürlich genau im Weg standen. Da begann das sportliche Umsetzen der Maschinen und es ging weiter mit Ulis Demonstration der richtigen Position für die Superbilder: „Wir wechseln die Straßenseite sehr schnell im Laufschritt, knien uns hin oder legen uns auf den Boden, und dann zügig wieder auf die andere Seite und hoch auf den Hang geklettert, weil Thomas ja oben umdreht und dann wiederkommt!“ Meine Herren, ich hätte nie gedacht, dass Fotografieren in Leistungssport ausarten kann!

Fotografieren ist Sport!

Ich natürlich immer flott hinter dem Meister her zur besten Position und dann schoss ich die ersten eigenen Bilder von Thomas als Serie. Ziel war es, den idealen Auslösepunkt beim Manuellen Focus zu treffen, Stichwort Schärfefalle. Als ich die Kamera anschließend herunternahm, hörte ich Ulis mehrmaliges Klicken des Auslösers. Ich war erstaunt. Dann wurde mir klar, ich hatte einen völlig falschen Motorradfahrer abgelichtet und diesen auch noch so gut wie verfehlt! Meine bessere Hälfte kam erst später, als ich schon fertig war. Ups! Also erster Lerneffekt: Schau nicht auf die falschen Männer!

Pech gehabt!

Bei weiteren Versuchen hatte ich mehr Glück: Ich bannte Thomas zumindest auf die Platte, wenngleich die Schärfe noch nicht zufriedenstellend war. Zweiter Lerneffekt: Wenn man außerhalb der Automatik arbeitet, um noch bessere Bilder zu bekommen, muss man Üben, Üben, Üben! Uli war, Gott sei Dank , äußerst geduldig und gab noch den Tipp: „Du musst ein Fenster aufmachen!“ „Wo ist denn hier ein Fenster?“ Aha, mit Hilfe von beiden Zeigefingern und Daumen kann man einen nützlichen Ausschnitt in der Luft fingieren, in dem später das Motiv, sprich das Motorrad, scharf abgelichtet sein soll. Mit Hilfe des Touchscreens meiner Kamera konnte ich diesen Focuspunkt dann wunschgenmäß auf die Platte platzieren. „Keine Sorge“, kommentierte der Profi meine laienhaften Versuche, „irgendwann ist dein Gatte scharf.“ Na, das warten wir erst mal ab! Also dritter Lerneffekt: Niemals die Geduld verlieren!

Zumindest Thomas ist drauf!

Nach dem Wechsel der Location (Nein, nicht des Lokals, auch wenn ich inzwischen einen netten Cocktail hätte gebrauchen können ..), also des Standorts, tat sich uns ein Traumblick über Sauerland und Bergisches Land auf. Dahinter die tief stehende Sonne! Davor eine Relaxbank. Aber an Relaxen war nicht gedacht; die Bank diente zur Besprechung, wollte ich doch jede Minute der kostbaren Künstlerzeit für meine Zwecke ausnutzen!

Besprechnungsbank

So, erst mal die Maschinen in Position, dann fußläufig auf die Wiese. In der Hoffnung, dass kein Bulle hinter dem Stacheldraht lauerte und ich ohne am Zaun hängen zu bleiben den super Standort erreichte, stürmte ich hinter Uli den Hügel hinauf (Fotografieren ist eben Sport!). Dann wir zwei ab ins Gras! Thomas hatte nach den etlichen Hin- und Herfahrten mal einen ruhigeren Part und durfte an seinem Motorrad die Landschaft genießen. „Hol ihn ran, weiter ran, näher, noch näher“, so die Anweisung des Meisters. Nein, nicht in persona, lediglich mit meinem Zoom, hatte ich relativ schnell kapiert. Und das Ganze im Liegen auf dem Bauch, damit die blöde Stromleitung nicht störte und der bergige Horizont auch noch drauf war. Da hätte ich ja nie im Leben drauf geachtet! Danke Uli! Das Resultat hatte sich gelohnt! Okay, wir mussten uns danach erst mal entgrasen, aber das ist eben das Opfer, das man für ein gutes Bild bringen muss.

"Hol ihn ran!"

Nächstes Thema: Gegenlicht. Hier arbeitete der Profi mit allen Tricks und setzte uns Dank eines runden Lichtreflektors und der Hilfe eines netten jungen Bikers als Halter gekonnt vor der untergehenden Sonne in Szene. Da kam Romantik auf und für das geduldige, männliche Model gab es spontan ein Dankesküsschen. Denn Modelmotivation ist auch ein Thema, das man nicht vergessen sollte. Wer will schon einen Miesepeter ablichten?

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Von Uli, dem Lichtmaler

Für ein gemeinsames Fahrbild, dem Wunsch der Exsozia, ging es zu einer weiteren Location. Bei keinem der abertausenden Bilder von unseren Reisen oder Ausflügen sind wir beide auf der Platte. Klar, einer muss ja immer fotografieren. Hier war also die Gelegenheit für traute Zweisamkeit der bemannten/befrauten Maschinen. Und der Lehrer dozierte: „Abstand! Immer Abstand beim Motorradfahren, sonst könnte es schlimm ausgehen! Es gibt nur eine Ausnahme: ein gutes Foto! Hier müssen die Motorräder eng kuscheln. Dann sieht es gut und schnell aus, auch wenn das Tempo gar nicht schnell war.“ Aha, wieder was gelernt!

Auf den richtigen Abstand kommt es an.

Wir hatten eine tolle Stelle mit Blick in die weite Landschaft, allerdings störten ein paar Häuser. Das beirrte den erfahrenen Fotografen jedoch nicht, er ging weit, weit weg in die Hocke – und war verschwunden. Wie fuhren wie besprochen ein paar mal hin und her und siehe da, für uns unbemerkt hatte Uli seine Profiarbeit getan. Meine anschließenden Versuche, die beiden Jungs ebenso abzulichten, endeten ziemlich erfolglos: Beim ersten Durchgang schaffte ich mal gerade von jedem nur die Hälfte zu erwischen und auch beim zweiten Mal waren die beiden (Jungs, es tut mir leid!) ziemlich unscharf. Ich war der Verzweiflung nahe, zumal genau beim dritten Versuch der Akku in die Knie ging. Lerneffekt siehe oben: Üben, Üben, Üben. Weiterer Lerneffekt: Immer einen aufgeladenen Reserveakku dabei haben. (Hatte ich aber, so dass wir später bei der Besprechung die Bilder ansehen konnten.)

Gescheiterter Versuch meinerseits
Das Profibild von Uli

Bei der anschließenden Einkehr mit Reflexion fassten wir nochmals die wichtigen Punkte des Kurses zusammen.  Da zeigte sich der erfahrene Pädagoge, der neben seiner Tätigkeit als  Fotograf auch  als Musiker und Musiklehrer arbeitet. Wir berieten die Möglichkeiten der Sichtung und Nachbearbeitung. Uli  erklärte, zirka ein Drittel seiner Arbeit seien die Aufnahmen vor Ort, zwei Drittel bestehen aus Nacharbeit, insbesondere des Aussortierens. Das kann ich inzwischen bestätigen, hatte ich doch immens viele Bilder anschließend auszusortieren. Von den 60, die ich dann übrig behielt, war ich mit genau vier Bildern wirklich zufrieden. Ein Fahrbild ist leider noch nicht dabei, aber das bekomme ich auch noch hin!

Und die vier Bilder von meinem Göttergatten sind im Endeffekt mein Hochzeitstagsgeschenk. Natürlich neben den erstklassigen Profibildern von Uli und dem wahnsinnig unterhaltsamen und kurzweiligen Nachmittag im Sauerland. Wir beide danken Dir dafür, lieber Uli Biggemann.

Mal sehen, was mir für den nächsten Hochzeitstag einfällt!

Hier meine vier besten Schüsse: 

Und hier Ulis schönste Bilder:

Uli Biggemann ist bekannt als Fotograf für viele Motorradzeitschriften wie MOTORRAD, RIDE, MO, MOTORRADNEWS,  Alpentourer und etliche mehr. Daneben portraitiert er auf Anfrage gerne Menschen mit und ohne Maschinen.

Link Uli Biggemann: www.moppetfoto.de