Also nahm ich frühzeitig zu Künstler Uli Kontakt auf und holte Informationen ein. Ich ertappte mich dabei, wie ich die Vorzeichen des Shootings etwas umkehrte. Schwerpunkt war auf einmal gar nicht mehr mein Holder sondern meine Wenigkeit, da ich selber von Uli lernen wollte. Eine Ausrede zu dieser Motivation war schnell gefunden: Wenn meine Fotos besser würden, hätte ja mein Mann Thomas langfristig auch etwas davon. Und schließlich waren wir in dem Alter, in dem ein Geschenk wie ein Theaterbesuch oder ein Wellnesswochenende zu Zweit beiden zugute kommt. Der Gutschein, attraktiv verpackt in einem roten Umschlag, kam gut an, glaube ich. Thomas machte immer gute Miene zum Spiel, so wie damals, als er den zehnstündigen Tango-Tanzkurs bekam, weil ich gerne mit ihm das qualifizierte Tanzbein schwingen wollte.
In diesem Sinne wurde der Künstler informiert und war nicht abgeneigt. Nun muss man noch erwähnen, dass ich etwa seit meinem zehnten Lebensjahr eine Leidenschaft fürs Fotografieren verspürte, damals halt mit der entsprechenden Technik wie Zelluloidfilmen in Kameras, bei denen man den Film manuell erst mittels Rädchen, dann Hebel weiterdrehen musste, später mit mehr Komfort allerdings ohne Automatic, anschließend mit einer Spiegelreflexkamera und schließlich mit den digitalen Apparaten wie einigen Canon Powershots und der kleinen Canon Ixus. Wegen des Platzmangels bei Reisen mit dem Motorrad löste schließlich ein gutes Handy die Fotokamera ab. Mit den Resultaten der handlichen, in den Bauchbeutel passenden Alleskönner war ich lange Zeit zufrieden. – Bis ich die Bilder von Uli sah! „Das möchte ich auch können“, waren meine spontanen Gedanken, wohl wissend, dass man als Laie natürlich nicht die Qualität eines Profis erreichen kann. Aber ein paar Tipps vom Künstler wären ja schon mal nicht schlecht, sagte ich mir.
Also fassten Uli und ich das Frühjahr ins Auge für unser Projekt – und dann kam Corona. Wartezeit. Was aber in diesem Fall nicht ganz ungünstig war, konnte ich mich doch an meine neue (natürlich wieder eine) Canon-Kamera, eine EOS M50 mit einem Objektiv von 18 bis 150mm, gewöhnen und das dazu erworbene 300 Seiten umfassende Handbuch studieren. Dabei verließ mich bisweilen der Mut, bis ich dahinter kam, dass man nicht alle speziellen Einstellungen auf einmal nachvollziehen kann. Also beschränkte ich mich zunächst auf die automatischen und halbautomatischen Einstellungen, die schon passable Ergebnisse lieferten. Das Verhältnis von Zeit, Blende und ISO ließ ich außen vor. Früher in grauer Vorzeit war es gang und gäbe, mit dieser Kenntnis zu fotografieren, aber man wurde mit neuer Technik geistig viel bequemer, beziehungsweise setzte man andere Schwerpunkte.