Kann ein Motorrad eine Seele haben? Kann überhaupt ein technisches Gerät beseelt sein? Man könnte es vermuten, redet man doch bisweilen mit den angeblich „toten“ Sachen. Ich zumindest. Mein Göttergatte ebenso. Da hört man schon mal aus dem Arbeitszimmer in dröhnender Lautstärke:
„Also, jetzt ist aber gut! Nimm endlich das blöde Passwort! Was bildest du dir ein, mich immer rauszuschmeißen?“
Das belegt doch wohl: Ein Computer kann hören und darf ausgeschimpft werden. Oder aber:
„Nun komm schon, du doofes Ding!“, wenn sich der Staubsauger mal wieder weigert mitzuziehen.
Aber ein Motorrad? Eine Seele? Ich glaube schon. Zumindest könnte ein wenig von meiner eigenen Seele auf das treue Gefährt übergehen. So ähnlich wie bei einer Mutter-Kind-Beziehung.
Meine These ist: Wenn ich selber mit meinem Bike unterwegs bin, ist ein bisschen Seele von mir in meiner Maschine. Wir sind sozusagen verbunden. Eine Einheit. Angepasst. Meist harmonisch. Und wenn es doch mal haken sollte, dann bin letztlich ich es, der es haken lässt. Und mein Moto reagiert entsprechend.
Daher streiche ich vor und nach einer Ausfahrt gerne über den glänzenden Tank, so wie man es bei einem Pferd am Hals macht. Alte Reitergewohnheit eben. Sich des Wohlwollens versichern. Man kann ja nicht wissen!
Und weil mein Bike also beseelt ist, trägt es auch einen Namen: „Happy“. Nach mehreren Maschinen fand ich mein ideales Gefährt, eine funkelnagelneue Yamaha MT 07, und fühlte mich sofort glücklich. Happy eben. Und nun, lieber Leser, gib ruhig zu, dass du auch einen Namen für dein Fahrzeug hast, vielleicht nur heimlich. Gut so!
Als Happy bei uns einzog, machte die Maschine zunächst einmal Bekanntschaft mit Kolleginnen und Kollegen im Zweiradschlafzimmer, sprich der Garage. Als da waren:
„Oldie“, eine wunderschöne, zweifarbig lackierte BMW C, sozusagen das Ausstellungs- und Liebhaberstück, versehen mit einem zweifarbigen Choppersitz passend zur Lackfarbe. Oldie wurde nur ab und zu bei schönem Wetter bewegt und diente eigentlich zur attraktiven Raumdekoration.
Daneben, ebenfalls ein Nostalgie-Gefährt, ein silberner BMW C1-Roller, namens „Haube“. Auch dieser verließ die Garage eher selten, taugte aber durchaus als Einkaufsroller, zumal sogar ein Kasten Gerstensaft ins Topcase passte. Oft wird dieses nur vier Jahre produzierte BMW-Modell bisweilen wegen seines eher futuristischen Aussehens belächelt. Ein unglaublich tolles Gefühl ist es jedoch, dieses ungewöhnliche Fahrzeug über die Straßen zu steuern und die ungläubigen und erstaunten Blicke der Passanten wahrzunehmen. Das Ding taugt als Hingucker!
Und noch ein Altertümchen begrüßte Happy: das mintgrüne „Schwälbchen“, eine Simson Schwalbe Baujahr 1979. Dieses Knatterteil diente als alternatives Fortbewegungsmittel, um mal gerade in den vier Kilometer entfernten Ort zu fahren und etwas zu erledigen. Auch Schwälbchen zog so manchen Blick auf sich – Kult eben. Und dieses putzige Ding hatte durchaus schon etwas erlebt!
Daneben der ganze Stolz der Flotte: „Goldie“, eine bildschöne rote Goldwing 1800. Sie diente vier Jahre lang als super bequeme und zuverlässige Reisemaschine durch ganz Europa. Ob am Polarkreis, vor Gibraltar oder in der Türkei, sie ließ uns nie im Stich und war mit ihrem changierenden Rot Blickfang unserer Reisefotos. Auf keiner Maschine saß ich als Sozia angenehmer. (Ab und zu ließ ich mich nämlich gerne mal selber kutschieren.)
Aber das war noch lange nicht alles. Im Laufe der Jahre hatten sich etliche Zubehörteile und Utensilien angesammelt von Motorrädern, die schon lange nicht mehr in der Garage standen. Meistens wurden die Maschinen gegen Bikes mit neuerer, modernerer Technik oder aber ausgefallene Liebhaberstücke eingetauscht. Dennoch war die Erinnerung an sie nie ganz verblasst, hatte man doch auch hiermit wundervolle Erlebnisse bewältigt. Zum Andenken daran blieb das ein oder andere Teil im Regal zurück. So gab es einen besonderen Talisman, nämlich ein Bärchen, das an eine weinrote Harley Davidson erinnerte. Eine kleine Sardinienflagge war Mitbringsel von einer Inseltour, die eine anthrazitfarbene BMW RT erlebt hatte. Und ein verblichenes Foto in der Ecke zeigte ein uraltes Motorrad: eine Standard 500 aus den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts.
Happy hatte also viel Gesellschaft und wer abends an der Garage vorbei ging, konnte schon mal, wenn er die Ohren sehr gut spitzte, Gemurmel, Gekicher, Gegluckse und Geschniefe hören, das natürlich von den Maschinen, Maschinchen und Erinnerungsstücken herrührte, die sich als Gute-Nacht-Geschichten Erlebnisse ihres Zweirad-Lebens erzählten.
Eine Auswahl dieser mal heiteren, mal spannenden und emotionalen Storys der zweirädrigen Community will ich Euch, liebe Leserinnen und Leser, nicht vorenthalten.