Bei unserer „Fahrt ins Blaue“ verschlug es uns in eine besondere Gegend: die Steiermark. Hier kamen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus.
- Strecke: Mariazell, Eisenerz, Judenburg, Graz, Leibnitz, Bad Gleichenberg, Spielfeld
- 646 km (Womo), 1.012 km (Moto)
- 23 Tage
- 4 Stopps
- Wetter: bewölkt bis sonnig, Gewitter, Schauer, 22-33 Grad
Da im Corona-Jahr das Reisen nicht ganz so planbar war wie sonst, lautete das Motto unserer Tour 2020 „Fahrt ins Blaue“. Nach einem Verwandtenbesuch in Bayern, tollen Teiletappen durchs Mühl-, Wald- und Mostviertel in Österreich schlugen wir nun eine südöstliche Richtung ein. Es sollte in die Steiermark gehen.
Was wird uns erwarten in diesem österreichischen Bundesland, das wir zwar ein- bis zweimal durchfahren, aber nie entdeckt haben? Die Insider schwärmen von den verschiedenen Regionen, u.a. der Bergregion, geprägt durch die Alpen, das Weinland, das Thermenviertel und die Region Graz mit der imposanten Landeshauptstadt. Das „grüne Herz Österreichs“ besteht jedenfalls zu über 70 Prozent aus Wäldern und Wiesen. Und es soll zwar touristisch gut erschlossen, aber nicht so überlaufen sein wie Tirol oder Kärnten. Wir sind gespannt, was uns erwartet. Der „Eingang“ ins grüne Herz ist schon vielversprechend! Im Folgenden einige Impressionen aus dieser einmaligen Gegend.
Die erste Motorradtour führte uns ins westliche Bergland der Steiermark. Mitten durch die Niederen Tauern führt der Sölkpass (1.788m), umgeben von etlichen Zweitausendern. Das Beste: In der Woche ist der Pass mit seiner teilweise recht schmalen Straße und einigen engen Kehren nicht überlaufen, sondern angenehm entspannt zu fahren. Auf der Passhöhe laden ein paar Bänke am Kapellchen zum Picknick mit Weitblick ein. Biker, Radfahrer, Wanderer und Autofahrer scheinen hier recht rücksichtsvoll miteinander umzugehen.
Die Mur ist der Hauptfluss der Steiermark und ein Wahrzeichen der Region. Über den Murtal-Radweg kann man kilometerlang radeln und oberhalb der Mur hat man als Motorradfahrer wunderbare Ausblicke. Aber auch die anderen Flusstäler der Steiermark wie die Täler der Enns, der Gurk, der Mürz oder der Pölzbach bieten Romantik pur. Schon immer war das Murtal ein bedeutender Handelsweg. Der insgesamt 464km lange Fluss weist in Österreich alleine 27 Wasserkraftwerke auf und weitere sind geplant. (Wikipedia)
Kaum eine andere Großstadt hat uns bisher so entspannt fasziniert wie Graz, die Landeshauptstadt der Steiermark, ein UNESCO-Weltkulturerbe. Besonders gefielen uns die verwinkelten Sträßchen der Altstadt mit den bestens erhaltenen Gebäuden aus Mittelalter, Barock und Renaissance mit ihren Hinterhöfen, die große Parklandschaft, die sich um die Altstadt entlang zieht, die wilde Mur mit der künstlichen Murinsel und der Schlossberg, den man außer zu Fuß mit der Seilbahn oder einem Lift erreichen kann. Abwärts geht es durch den Berg mit einer Riesenrutsche! Graz hat so viel zu bieten, dass man unbedingt wiederkommen muss!
Ein Mädchentraum wird wahr, ein Besuch im Landesgestüt Piber in der Steiermark, der Heimat der majestätischen Lipizzaner. Rund 280 Pferde sind hier zu Hause. Stuten gebären ihre zunächst dunklen Fohlen, die Hengste werden eingeritten und für die Wiener Hofreitschule ausgewählt, die Leistungspferde aus Wien genießen auf den Almen in der Umgebung regelmäßig ihre „Ferien“. Die sanfte Zucht und Dressur der edlen Pferde ist ein besonderes Merkmal der Lipizzaner-Philosophie.
Beim Fahren durch die ländlichen Regionen Österreichs, zuletzt der Steiermark, fällt auf, dass es hier eine recht häufige Direktvermarktung landwirtschaftlicher Produkte gibt. So genossen wir im Zirbenland natürlich den Zirbenschnaps (Zirbe = kieferverwandter Nadelbaum, der zwischen 1.500 und 2.000m Höhe wächst) aus dem örtlichen Hofladen und deckten uns mit selbst hergestelltem Käse und Bauernbrot ein. Und als Nachtisch mit Zirbenpralinen! Kaufen regional und direkt beim Erzeuger ist vielleicht etwas teurer, dafür oft gesunder und umweltfreundlicher.
Eine Spezialität der Steiermark sind ohne Frage die Ölkürbisse. Das „grüne Gold“ wird insbesondere in der Oststeiermark angebaut. Hier ist das sonnig-feuchte Klima besonders günstig. Geerntet werden die gelben Früchte von Ende August bis Anfang Oktober. Durch das Rösten der Kerne entsteht ein nussiges Röstaroma im dickflüssigen, dunklen Kernöl. Auf Brot oder Salat und sogar auf Eis ist das spezielle Öl eine Köstlichkeit.
Schöner kann sich Wein nicht präsentieren wie in der Südsteiermark, der „österreichischen Toskana“. Entlang der Schilcher oder Sausaler, insbesondere aber der südsteirischen Weinstraße zwischen Grasnitzberg und Leutschach wird das Auge verwöhnt vom Anblick der unendlichen Rebenhügel rechts und links der kleinen Straßen. Die Klapotetze (große klappernde Holzräder) vertreiben zur Reifezeit die Vögel aus den Weinbergen. Motorradfahren wird zum Genuss zwischen den unendlichen Weinbergen.
In den zahlreichen Buschenschänken und Heurigen kann man nach Herzenslust schlemmen und zwar regionale, von den Wirtsleuten und Winzern oft selbst hergestellte Schmankerl. Während in den Buschenschänken die Jausenplatten mit diversen Brotaufstrichen und selbst gebackenes Brot die Spezialitäten sind, gibt es beim Heurigen auch warme Gerichte, besonders beliebt: das Backhendl. Den Wein der Winzer kann man verkosten und für abends ein oder zwei Fläschchen mitnehmen. Als Dessert zu empfehlen: Palatschinken mit Marillenmarmelade.
Imposant erhebt sich die Riegersburg in der Oststeiermark in der Nähe der österreichischen „Route 66“ über die vulkanische Landschaft. Die größte Burganlage der Steiermark diente u.a. im 16. Jahrhundert als Schutz vor den einfallenden Türken und wurde nie eingenommen. Prächtige Fürstenzimmer und eindrucksvolle Waffenkammern laden zur Besichtigung ein. Diese Burg sollte man auf keinen Fall „links liegen lassen“.
In unmittelbarer Nachbarschaft gibt es ein Schokoladenparadies der Superlative. Die Manufaktur Zotter ist weit über die Grenzen hinaus bekannt. Ich liebe Schokolade! Okay, das familiengeführte Unternehmen ist touristisch stark vermarktet, aber alleine im Shop läuft einem schon das Wasser im Mund zusammen. Über 100 Sorten der handgeschöpften Schokoladen sorgen für eine Qual der Wahl. Dazu Pralinen vom Feinsten! Da kann man nicht widerstehen und MUSS etwas einkaufen! Meine Lieblingssorten sind aus dunkler Schokolade mit Schuss!
Ich bin ein großer Hundertwasser-Fan. Die Bilder, Skulpturen und vor allem die Architektur des österreichischen Künstlers zeugen von Lebensfreude, Individualismus und Fantasie. Nichts ist gerade, alles ist bunt, überraschend, märchenhaft wie aus Tausendundeiner Nacht. In der Steiermark hat Friedensreich Hundertwasser (1928 bis 2000) mit der Kirche in Bärnbach und der Rogner-Therme in Bad Blumau zwei begehbare Kunstwerke geschaffen, die man kaum verlassen möchte. Auch nach vier Stunden hab ich mich in der Hundertwasser-Therme immer noch verlaufen und staunte über neue Ecken und Räume. Kunst, Entspannen und Gesundheitsvorsorge sind hier auf´s Schönste kombiert.
Das Fazit 2. der Etappe: Es war ein guter Entschluss, sich endlich einmal ausführlich in der Steiermark umzusehen. Die Erwartungen, die wir hatten, wurden nicht nur erfüllt sondern übertroffen. Motorradfahren, Essen und Trinken sowie eine durchgehend nette Geselligkeit der Einheimischen sorgten für eine wunderbare Wohlfühlatmosphäre. Übernachtet haben wir auf netten Campingplätzen; herauszuheben sei der Ü-50-Platz in Fisching, auf dem es trotz Hauptsaison angenehm ruhig war.
Nun stellte sich die Frage: Wohin sollte es weitergehen? Was war möglich?